„Wenn diese Frau loslegt, machen die Ohren Augen“

Süddeutsche Zeitung, Nr. 109 vom 14.05.1997, von Melanie Klier

Sehr talentiert: die Schlagzeugerin Babette Haag

Gauting/Krailing – Noch ist es ganz still. Noch schweift der Blick des Zuhörers staunend über eine ganze Batterie von Schlaginstrumenten, diverse Schlegel und Notenblätter. Dann bleibt er an einem riesigen, imposanten Instrument haften, das sich in dieser Szenerie ausnimmt wie ein Koloß unter Mäusen. Es ist ein fünfoktaviges Marimbaphon, jenes Stabspiel, dessen Ursprungsland möglicherweise Südostasien oder Afrika ist und das erst seit 20, 30 Jahren als Soloinstrument an Bedeutung gewonnen hat. Dahinter steht Babette Haag – und legt los: Mit ungeheurer Fingerfertigkeit huschen vier Schlegel über die wuchtigen Klangplatten aus Holz und entlocken dem Material packende Musik. Mit ausladenden Bewegungen, wohldosierten Phrasierungen und bewundernswertem Sinn für Rhythmen führt die ungemein talentierte, wohl jüngste klassische Schlagzeugerin auf eine „optische Klangreise“. Es ist tatsächlich das Auge, welches das „Unerhörte“ erlebt und nicht begreifen kann, wie geschickt Babette Haag die Energie zwischen den Tönen transparent macht. Ort des Geschehens: Krailings ehemalige Pionierkaserne. Komposition: „Dream of the Cherry Blossoms“ der Japanerin Keiko Abe. „Beim Klavierspiel hat man die Tastatur in den Fingern. Hier kämpft man doch mit einer Distanz von gut 30 Zentimetern zu den Klangplatten. Dort hat man zehn Finger zur Verfügung, hier arbeitet man nur mit vier Verlängerungen“, erklärt sie die Tücken, aber auch die Herausforderung ihres Instrumentes.

Klinge-Preisträgerin

Die aus Gauting stammende Babette Haag trainiert gerade für den größten Musikwettbewerb internationalen Formats, den ARD-Musikwettbewerb – September[nbsp]1997. Die Voraussetzung eines „fertigen Künstlers mit Podiumsreife“ erfüllt die temperamentvolle Künstlerin allemal. Schließlich ist die junge Frau der Musikwelt schon längst ein Begriff: Günther-Klinge-Preisträgerin 1988, Siegerin des Wettbewerbs des „Deutschen Musikrates“ 1991, mehr als 40 Soloauftritte im Rahmen der „Konzerte junger Künstler“, und nicht zuletzt ist sie als Solopaukerin in der „Philharmonie der Nationen“ unter Justus Frantz beschäftigt.

Babette Haag, in einem renommierten Musikerhaushalt aufgewachsen, ist trotz ihrer „übungstechnisch sehr liberalen Famile“ in die Krailinger Pionierkaserne abgewandert, um sich dort ganz zu entfalten. Und das macht sie hier mit Wonne. „Die Bandbreite des musikalischen Eindrucks vom präzisen Anschlag, über den weichen Ton bis hin zum dichten Tonteppich ist gigantisch“, dokumentiert sie den Wirkungsgrad der unterschiedlichen Klangschlegelumspannungen aus Gummi, Keramik, Kunststoff, Garn oder Wolle und entfaltet konzentriert eine Mixtur aus urgewaltigem Trommelfeuer und schwebenden Klängen.

Freude am Experiment

Lachend bläst sie sich eine rote Locke aus der Stirn: „Den Wettbewerb selbst muß man sich vorstellen wie beim Eiskunstlauf: Die ersten Runden sind Pflicht, und dann folgt die Kür.“ Auf ihrem Übungsplan steht demnach die Wiedergabe der Transkription einer Cello-Suite von Johann Sebastian Bach. Für die zweite Runde muß ein sogenanntes Set-up-Stück vorbereitet werden. Hierbei spricht man von einem aufgestockten Schlagzeug, das unterschiedlich, je nach Komponist, in Hufeisenform um die Musikerin plaziert ist. Vor allem auf das dort vorgesehene Stück „Interieur I“ von Helmut Lachenmann freut sie sich besonders, denn die Komposition ist „ein wahres Experimentierfeld, eine Viertelstunde Leben, das man als ‚Waldspaziergang trifft auf Großstadthektik‘ bezeichnen könnte“. Neben vorzubereitenden Stücken wie Hans Werner Henzes „Five Scenes from the Snow-Country“, Yannis Xenakis „Rebonds pour percussion solo“ oder Jacob Druckmans „Reflections on the Nature of Water“ ist Babette Haag besonders gespannt auf das eigens für den Wettbewerb komponierte Auftragsstück, das bis kurz vor Beginn der Veranstaltung keiner der Teilnehmer kennt. Neugierig-Machen ist aber nicht nur Ziel der Veranstalter, sondern auch Moment der Künstlerin: „Mit meiner Musik möchte ich Interesse schüren, Barrieren abbauen und demonstrieren, wie grundlegend und ausbaufähig Rhythmus ist.“

„Wenn diese Frau loslegt,
machen die Ohren Augen“

Süddeutsche Zeitung, Nr. 109 vom 14.05.1997, von Melanie Klier

Sehr talentiert: die Schlagzeugerin Babette Haag

Gauting/Krailing – Noch ist es ganz still. Noch schweift der Blick des Zuhörers staunend über eine ganze Batterie von Schlaginstrumenten, diverse Schlegel und Notenblätter. Dann bleibt er an einem riesigen, imposanten Instrument haften, das sich in dieser Szenerie ausnimmt wie ein Koloß unter Mäusen. Es ist ein fünfoktaviges Marimbaphon, jenes Stabspiel, dessen Ursprungsland möglicherweise Südostasien oder Afrika ist und das erst seit 20, 30 Jahren als Soloinstrument an Bedeutung gewonnen hat. Dahinter steht Babette Haag – und legt los: Mit ungeheurer Fingerfertigkeit huschen vier Schlegel über die wuchtigen Klangplatten aus Holz und entlocken dem Material packende Musik. Mit ausladenden Bewegungen, wohldosierten Phrasierungen und bewundernswertem Sinn für Rhythmen führt die ungemein talentierte, wohl jüngste klassische Schlagzeugerin auf eine „optische Klangreise“. Es ist tatsächlich das Auge, welches das „Unerhörte“ erlebt und nicht begreifen kann, wie geschickt Babette Haag die Energie zwischen den Tönen transparent macht. Ort des Geschehens: Krailings ehemalige Pionierkaserne. Komposition: „Dream of the Cherry Blossoms“ der Japanerin Keiko Abe. „Beim Klavierspiel hat man die Tastatur in den Fingern. Hier kämpft man doch mit einer Distanz von gut 30 Zentimetern zu den Klangplatten. Dort hat man zehn Finger zur Verfügung, hier arbeitet man nur mit vier Verlängerungen“, erklärt sie die Tücken, aber auch die Herausforderung ihres Instrumentes.

Klinge-Preisträgerin

Die aus Gauting stammende Babette Haag trainiert gerade für den größten Musikwettbewerb internationalen Formats, den ARD-Musikwettbewerb – September[nbsp]1997. Die Voraussetzung eines „fertigen Künstlers mit Podiumsreife“ erfüllt die temperamentvolle Künstlerin allemal. Schließlich ist die junge Frau der Musikwelt schon längst ein Begriff: Günther-Klinge-Preisträgerin 1988, Siegerin des Wettbewerbs des „Deutschen Musikrates“ 1991, mehr als 40 Soloauftritte im Rahmen der „Konzerte junger Künstler“, und nicht zuletzt ist sie als Solopaukerin in der „Philharmonie der Nationen“ unter Justus Frantz beschäftigt.

Babette Haag, in einem renommierten Musikerhaushalt aufgewachsen, ist trotz ihrer „übungstechnisch sehr liberalen Famile“ in die Krailinger Pionierkaserne abgewandert, um sich dort ganz zu entfalten. Und das macht sie hier mit Wonne. „Die Bandbreite des musikalischen Eindrucks vom präzisen Anschlag, über den weichen Ton bis hin zum dichten Tonteppich ist gigantisch“, dokumentiert sie den Wirkungsgrad der unterschiedlichen Klangschlegelumspannungen aus Gummi, Keramik, Kunststoff, Garn oder Wolle und entfaltet konzentriert eine Mixtur aus urgewaltigem Trommelfeuer und schwebenden Klängen.

Freude am Experiment

Lachend bläst sie sich eine rote Locke aus der Stirn: „Den Wettbewerb selbst muß man sich vorstellen wie beim Eiskunstlauf: Die ersten Runden sind Pflicht, und dann folgt die Kür.“ Auf ihrem Übungsplan steht demnach die Wiedergabe der Transkription einer Cello-Suite von Johann Sebastian Bach. Für die zweite Runde muß ein sogenanntes Set-up-Stück vorbereitet werden. Hierbei spricht man von einem aufgestockten Schlagzeug, das unterschiedlich, je nach Komponist, in Hufeisenform um die Musikerin plaziert ist. Vor allem auf das dort vorgesehene Stück „Interieur I“ von Helmut Lachenmann freut sie sich besonders, denn die Komposition ist „ein wahres Experimentierfeld, eine Viertelstunde Leben, das man als ‚Waldspaziergang trifft auf Großstadthektik‘ bezeichnen könnte“. Neben vorzubereitenden Stücken wie Hans Werner Henzes „Five Scenes from the Snow-Country“, Yannis Xenakis „Rebonds pour percussion solo“ oder Jacob Druckmans „Reflections on the Nature of Water“ ist Babette Haag besonders gespannt auf das eigens für den Wettbewerb komponierte Auftragsstück, das bis kurz vor Beginn der Veranstaltung keiner der Teilnehmer kennt. Neugierig-Machen ist aber nicht nur Ziel der Veranstalter, sondern auch Moment der Künstlerin: „Mit meiner Musik möchte ich Interesse schüren, Barrieren abbauen und demonstrieren, wie grundlegend und ausbaufähig Rhythmus ist.“